Die Mittlere Altmühl – Der Mensch trifft eine falsche Entscheidung
Zwischen Gunzenhausen und Treuchtlingen schlängelt sich die Altmühl in einem sehr breiten Tal zwischen Äckern und Feldern hindurch. Landschaftlich ganz nett, aber auch nicht besonders spektakulär. Ein Fluss halt, der still seine Bahn zieht. Laaaangweilig, werdet ihr vielleicht sagen. Aber da muss ich widersprechen. Die Mittlere Altmühl, wie dieser rund 25 Kilometer lange Teil genannt wird, hat eine spannende Geschichte zu erzählen. Es ist die Geschichte, wie der Mensch versucht hat, der Natur seinen Willen aufzuzwingen und damit scheiterte. Die Altmühl, ihr wisst es ja schon, ist ein sehr langsamer Fluss, der viele Windungen aufweist, ein bisschen so wie eine Schlange. Schleifen sagt man dazu. Das klingt harmlos, war es für die Menschen bis vor rund 120 Jahren aber nicht. Weil die Altmühl so geringe Fließgeschwindigkeit hat, kann sie das Wasser nicht wegbringen, wenn es mal stark regnet oder der Schnee nach dem Winter schmilzt. Das Wasser muss aber irgendwo hin und deshalb tritt es über die Ufer und überschwemmt Wiesen und Felder. Wenn das Wasser zu lange dort steht, ist die Ernte verdorben. Getreide geht kaputt und auch die Wiesen können nicht gemäht werden. Damals war das schlimm für die Bauern. Sie brauchten Gras und Heu als Futter für die Tiere. Wenn sie kein Futter hatten, konnten sie die Ochsen, Kühe und Schweine nicht behalten, und wenn kein Getreide geerntet werden konnte, gab es kein Brot. Die Menschen litten Not.
Aber für viele Jahrhunderte war es eben so. Die Menschen konnten nichts dagegen tun und mussten die Altmühl so lassen, wie sie war. Das änderte sich aber. Um das Jahr 1900 herum gab es bereits riesige Bagger und andere große Maschinen. Nun glaubten die Menschen, die Natur so gestalten zu können, wie sie es für richtig hielten. 1906 war wieder ein Jahr mit großen Überschwemmungen – und nun hatten es die Leute, die an der Altmühl wohnten, satt. „Tut was!“, forderten sie die Regierung auf. Und es tat sich tatsächlich etwas. Die Idee war: Wenn wir die Altmühl begradigen und die ganzen Schleifen herausnehmen, wird der Fluss kürzer und kann nicht mehr so viel Land überfluten. Also kamen die mächtigen Maschinen angerollt. Sogar Gleise wurden gelegt, für einen Zug, der die Erde abtransportierte. Es schien zu klappen: Die Altmühl wurde gerade; die Mühe schien sich gelohnt zu haben. Oder doch nicht? Die Überschwemmungen nahmen nicht ab. Im Gegenteil: Sie wurden mitunter noch schlimmer. Warum? Die Altmühl wurde kürzer, aber die Wassermenge blieb die gleiche. Es gab aber weniger Platz für Regen und Schneeschmelze. Und viel schneller wurde die Altmühl auch nicht. Sie blieb ein langsamer Fluss Das Problem war also nicht wirklich behoben. Dafür tauchte ein neues auf: Fische und andere Tiere im und am Wasser und auch Pflanzen verloren ihren Lebensraum. Ein Beispiel: Fische brauchen flache Uferstellen, um ihren Laich abzulegen, damit sie Nachwuchs haben. Durch die Baggerarbeiten waren die Ufer jetzt aber steiler und gerade. Es gab weniger Fische. Und so war es auch mit anderen Lebewesen und vielen Pflanzen. Früher galt die Altmühl das der fischreichste Fluss in ganz Bayern. Das war nach der Begradigung nicht mehr der Fall. Und die Fischer, von denen es damals noch viele gab, hatten Probleme, Geld zu verdienen. Ihr seht: Man kann nicht einfach mit der Natur machen, was man will.
Es dauerte viele Jahrzehnte, bis die Menschen ihren Fehler einsahen, und ihn korrigierten. Davon erfahrt ihr im nächsten Kapitel.